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Einteilung der allergischen Reaktionen in 4 Typen

Für die allergischen Erkrankungen sind bestimmte Reaktionstypen typisch. Man unterscheidet vier Typen nach dem unterschiedlichen Reaktionsmechanismus und nach der Zeitspanne zwischen Allergenkontakt und dem Auftreten von Symptomen. Diese Reaktionswege sind ein wichtiges Unterscheidungskriterium, das auch für die Behandlung einer Allergie mitentscheidend ist.

Typ 1: Allergien vom Soforttyp, Anaphylaktische Reaktion

Schnelle und oft heftige Reaktionen vom Soforttyp. Ungefähr 90 Prozent aller Allergien sind Allergien von Soforttyp. Die Symptome treten wenige Minuten bis Stunden nach dem Kontakt mit dem Allergen auf und äußern sich beispielsweise als Heuschnupfen, Hautausschläge oder Asthma, im Extremfall als anaphylaktischer Schock. Es handelt sich um Reaktionen des Antigens mit Antikörpern vom IgE Typ und somit um den "klassischen" Reaktionsweg beim typischen Heuschnupfen. Die Neigung zur Entwicklung multipler Allergien vom Soforttyp wird Atopie genannt.

Typische allergische Erkrankungen sind:

Heuschnupfen
Tierhaarallergie
Insektenstichallergien
Latexallergien
Hausstaubmilbenallergien
Nahrungsmittelallergie
Allergien gegen Medikamente (Lokalanästhetika, Antibiotika)
Allergisches Asthma
Nesselsucht
Quincke-Ödem
Anaphylaktischer Schock

Besonders heftige Reaktionen sind von Atopikern zu erwarten, die eine genetische Veranlagung für eine erhöhte IgE Produktion bei Kontakt mit einem Allergenen haben. Schaltstellen für die allergische Reaktion sind die Mastzellen. Mastzellen sind spezielle weiße Blutkörperchen. Sie gehören zu den Abwehrzellen, die im Knochenmark gebildet werden. Mastzellen befinden sich im lockeren Bindegewebe aller Organe, auch im Bereich der Haut und in den Blutgefäßen. In den Mastzellen befinden sich kleine Bläschen, die mit sogenannten Mediatoren oder Botenstoffen, speziell Histamin gefüllt sind.

Bei einem Kontakt mit einem Allergen werden IgE-Antikörper produziert, die sich auf den Mastzellen anheften. Diese Antikörper können ein Allergenmolekül einfangen und neutralisieren. Das nennt sich auch Antigen-Antikörper-Reaktion. Bei einem ersten Kontakt mit dem Allergen werden nur wenige der auf der Mastzelle angehefteten IgE-Antikörper zur Neutralisation belegt. Dieser Reaktionsschritt nennt sich Sensibilisierung.

Bei dem nächsten Kontakt mit demselben Antigen tritt dann die allergische Reaktion zutage. Die massenweise auf den Mastzellen festgehefteten IgE-Antikörper, das können zwischen 10.000 und 50.000 auf einer einzigen Mastzelle sein, fangen das Allergen ein, was als Auslöser für eine übermäßige Ausschüttung von Histamin dient. Durch die heftige Reaktion platzt die Mastzelle förmlich auf.

Die Symptome werden durch Histamin ausgelöst. Histamin und andere Entzündungsmediatoren führen dazu, dass die Blutgefäße sich stark weiten. Flüssigkeit tritt innerhalb von Sekunden bis Minuten aus und es kommt zur Bildung der typischen Ödeme und Quaddeln. Der Blutdruck sinkt. Die Betroffenen leiden unter Juckreiz, Rötung, Naselaufen und Augentränen und Atemnot.

Häufig sind diese Reaktionen örtlich begrenzt. Ein Beispiel dafür ist der Heuschnupfen oder die Nesselsucht. Bei einer Ausweitung der allergischen Reaktion auf den Organismus, wie das bei einem anaphylaktischen Schock der Fall ist, kann ein lebensbedrohender Zustand eintreten. Die Reaktion ist zusätzlich zu den oben genannten Symptomen durch starken Blutdruckabfall, eine Verengung der Bronchien und Schwellungen und Ödeme im Bereich des Kehlkopfes gekennzeichnet, außerdem treten Übelkeit, evtl. Krämpfe und starke Hitzewallungen auf.

Klinisch zu unterscheiden vom hier genannten Soforttyp sind jedoch die Spätreaktionen vom Typ I, die durch verzögerte Freisetzung oder Neubildung von Mediatoren / Botenstoffen verursacht werden. Die Latenzzeit beträgt hier bis zu 6 Stunden. Der Wirkmechanismus ist der gleiche wie bei der innerhalb weniger Sekunden bis Minuten eintretenden Sofortreaktion, jedoch treten die Symptome erst nach einem längeren Zeitintervall auf.

Typ 2: Allergien vom zytotoxischen Typ

Bei der zweiten Form der allergischen Reaktion werden die Zellen selbst geschädigt. Deshalb heißt sie auch zytotoxische Reaktion (zyto=Zelle, toxisch=giftig). Bei dieser Reaktion werden spezifische Antikörper direkt an die Oberfläche körpereigener Zellen gebunden. Durch diesen Vorgang ist die körpereigene Zelle selbst zu einem Antigen geworden, das bekämpft werden muss. Dabei nehmen die IgG und IgM-Antikörper eine Schlüsselposition ein. Sie verbinden sich mit dem Fremdstoff, der auf der Körperzelle aufliegt. Außerdem wird das Komplementsystem aktiviert, Teil der unspezifischen Immunabwehr. Es besteht aus verschiedenen Plasmaproteinen (Eiweißstoffe im Blutplasma), die körperfremdes Eiweiß angreifen, Zellwände auflösen und sog. Fresszellen herbeilocken. Somit kommt es bei dieser allergischen Reaktion zur Zytolyse körpereigener Zellen und zur Entzündungsverstärkung. Die Folgen dieser zellzerstörenden Aktivität können vielfältig sein: Anämien (Blutarmut), Blasenbildung der Haut, Schilddrüsenunterfunktion, oder massive Nierenkörperchenentzündung und Lungenblutung (Goodpasture-Syndrom).

Typische Erkrankungen vom Typ 2 sind u.a.:

Hämolytische Transfusionszwischenfälle
Rhesusunverträglichkeit bei Neugeborenen
autoimmune hämolytische Anämien
Myasthenia Gravis
Agranulozytose
Blutgruppenunverträglichkeit (Blutgruppe A trägt Antikörper gegen Blutgruppe B in sich und umgekehrt.)

Typ 3: Allergien vom Immunkomplextyp

Die allergische Reaktion vom Typ 3 ist geprägt durch die Bildung von Immunkomplexen (Allergen + Antikörper). Unter bestimmten Bedingungen, bei Antigenüberschuß, bilden sich mehrgliedrige Komplexe aus Allergenen und Antikörpern, sog. lösliche Immunkomplexe, die sich mit Blut- und Lymphstrom im ganzen Körper verteilen und in den Kapillaren (Nieren, Haut, Gelenke) hängenbleiben. Die Immunkomplexe führen dann über eine starke Aktivierung des Komplementsytems (Komponente des unspezifischen Immunsystems) zu einer heftigen Entzündung mit Ödemen, Vaskulitis, Gefäßthromben, Blutungen und Gewebsnekrosen. Das führt zwar zu einer Auflösung der Immunkomplexe, schädigt aber auch das umliegende Gewebe. Was zu dieser "Zusammenballung" führt, ist bisher nicht geklärt. Bekannt ist aber, dass daran im Wesentlichen der IgG-Antikörper beteiligt ist.

Nicht immer ist das Immunsystem in der Lage, die Immunkomplexe vollständig zu neutralisieren. Typisch für diese Form der allergischen Reaktion ist eine Ablagerung der "überzähligen" Immunkomplexe in bestimmten Geweben. Dort führen sie dann zu allergischen Entzündungsreaktionen. Die Symptome einer Allergie treten aber nicht sofort in Erscheinung. Es braucht schon ein paar Stunden oder auch Tage, bis sich allergische Reaktionen zeigen. Die beim Immunkomplextyp ausgelöste Reaktionen können lokal begrenzt sein (klassisches Beispiel: Arthus-Reaktion) oder generalisiert (klassisches Beispiel: Serumkrankheit).

Typische Erkrankungen, die zum Typ 3 gehören sind u.a.:

Vaskulitis (Gefäßentzündung)
Serumkrankheit
Alveolitis (Entzündung der Lungenbläschen), Farmerlunge
Nephritis (Entzündung der Nieren)
Arthritis (Entzündungen der Gelenke)

Typ 4: Zelluläre Immunreaktion, Spätreaktionstyp

Bei der allergischen Reaktion vom Typ 4 spielen die Antikörper keine Rolle. Hier sind ausschließlich die T-Lymphozyten beteiligt an der Immunantwort. Die T-Lymphozyten sind spezialisierte weiße Blutkörperchen und gehören zur spezifischen zellulären Abwehr. Aus diesem Grund wird die allergische Reaktion vom Typ 4 auch zelluläre Immunreaktion genannt.

Allergene, bzw. körperfremde Stoffe lagern sich, wie in Typ 2 beschrieben, an Körperzellen an und aktivieren spezifische T-Lymphozyten = Sensibilisierungsphase. Die T-Lymphozyten können diese Zellen erkennen und bekämpfen. Dabei werden Substanzen (Zytokine) freigesetzt, die Makrophagen (Fresszellen) anlocken, aber auch zu einer Schädigung des umliegenden Gewebes führen können. Am Ort des Antigenkontakts kommt es zu einer Zellinfiltration, die man auf der haut als harte Papel tasten kann. Ohne diesen Erstkontakt kann es nicht zu einer Typ-IV-Allergie kommen. Die T-Zellen behalten eine einmal durchgeführte Abwehraktion im Gedächtnis. Kommen sie mit dem gleichen Allergen noch einmal in Kontakt, so können sie heftige allergische Reaktionen auslösen. Die (Re-) Aktivierung der T-Lymphozyten und die Zelleinwanderung braucht jedoch Zeit, so daß Symptome nicht sofort, sondern erst 12 bis 72 Stunden nach dem Allergenkontakt auftreten.

Typisch für diese Form der Allergie ist u. a.:

Transplantatabstoßung
Kontaktallergien, z. B. bei Nickelallergie
Tuberkulinreaktion (Tbc-Test)
Arzneimittel-Exanthem

Nach einer Organtransplantation wird das verpflanzte Organ häufig abgestoßen. Auch diese Abstoßungsreaktion ist eine allergische Immunreaktion des Typs 4.