Diagnose Asthmaanfall
Hinweisend auf den Asthmaanfall (= Asthmaexazerbation) ist bereits die typische Haltung (sitzen, Arme aufstützen, Atemhilfsmuskulatur) und das pfeifende Geräusch bei der Ausatmung.
Wichtig ist es, den Schweregrad des Anfalls (siehe unten) abzuschätzen und nach der akuten Behandlung die Ursachen abzuklären.
Was kann der Arzt beim akuten Anfall feststellen?
1. Bei der körperlichen Untersuchung
Bei der körperlichen Untersuchung werden folgende Fragen geklärt: Besteht eine Ateminsuffizienz (= unzureichende Atmung mit gestörtem Gasaustausch) und wie stark ist die Luftnot?
Für die Ateminsuffizienz sprechen vor allem eine Zyanose (bsp. Blaufärbung der Lippen und Nagelbetten), eine eingeschränkte Bewusstseinslage (Lethargie, vollständiger Aktivitätsverlust bei Bewusstsein, Koma) sowie Angst- und Erregungszustände.
Beim Asthmaanfall wird daher ständig eine Blutgasanalyse (siehe unten) durchgeführt, die Sauerstoffsättigung wird ermittelt.
Die Stärke der Luftnot kann durch eine Messung der Atem- und Pulsfrequenz beurteilt werden. Weitere Kriterien sind die Sprache und Beobachtungen der Atemanstrengung.
Folgende Fragen sind dazu wichtig: Wird zwischen den Worten Luft geholt? Kommt die Atemhilfsmuskulatur zum Einsatz (erkennbar an der Haltung – Hände abgestützt, vorn über gebeugt, Schultern hochgezogen)? Können beim Atmen Einziehungen im Bereich des Schlüsselbeins sowie unterhalb oder zwischen den Rippen beobachtet werden?
Erst nach Abklärung dieser Fragen wird der Patient abgehört. Die Blutdruckmessung erfolgt.
Beim Abhören der Lunge können trockene Rasselgeräusche (Brummen, Giemen, Schnurren) auftreten. Bei einer hochgradigen Spastik (= Verkrampfung der Atemmuskulatur) mit einer Überblähung der Lunge ist kaum etwas zu hören („silent chest“ = stille Lunge = stark abgeschwächtes Lungengeräusch).
Beim Abklopfen der Lunge nimmt der Arzt einen dumpfen, hypersonoren (= lauter und hohler als gewöhnlich) Klopfschall wahr.
Bei der Blutdruckmessung kann ein sogenannter Pulsus paradoxus auftreten. Die Systole, der erste Wert, der bei der Blutdruckmessung ermittelt wird, ist bei der Einatmung größer (≥ 10 mmHg).
Danach erfolgen weitere Untersuchungen.
2. Laboruntersuchung
- Eosinophile Granulozyten (Eosinophile): Die Anzahl dieser weißen Blutkörperchen ist erhöht (Blut- oder Speichelprobe). Dies ist ein Hinweis auf eine allergische Entzündung.
- Die IgE-Antikörper sind ebenfalls (stark) erhöht. Dies ist typisch für allergisch bedingtes Asthma.
- Eventuell ist auch die Anzahl der Leukozyten (weiße Blutkörperchen) erhöht; ebenso die Blutsenkungsgeschwindigkeit (BSG-Wert) und das C-reaktive Protein (CRP). Hierbei handelt es sich um allgemeine Entzündungszeichen.
3. EKG („Herzuntersuchung“)
Der vom Sinusknoten ausgehende Herzschlag ist zu schnell und liegt über 100 Schlägen in der Minute. Man spricht dann von einer Sinustachykardie.
Eventuell erkennt der Mediziner Zeichen einer sogenannten Rechtsherzbelastung (P-pulmonale, Rechtsdrehung der Herzachse).
4. Röntgen des Brustkorbes (Röntgen Thorax)
Im Röntgenbild ist eine überblähte Lunge erkennbar. Das Zwerchfell steht tief, die Herzsilhouette ist schmal.
Das Röntgen der Lunge dient vornehmlich der Abgrenzung des Asthmas von anderen Lungenerkrankungen (Pneumothorax, Lungenentzündung).
5. Lungenfunktion
Es gibt verschiedene Messungen, um die Lungenfunktion zu überprüfen. Hierzu gehört die Messung des Lungenvolumens, der Luftflüsse durch die Atemwege (Ganzkörperplethysmographie), die Blutgasanalyse und die Gasaustauschmessung (Diffusionskapazität). Bei Asthmatikern sind folgende Werte (im akuten Anfall) von besonderer Bedeutung:
- FEV1: Diesen Wert nennt man auch Sekundenkapazität oder forciertes (= mit Anstrengung) exspiratorisches (beim Ausatmen) Volumen in einer Sekunde. Gemessen wird die Menge an Luft, die nach einer Einatmung in der ersten Sekunde aus der Lunge ausgeatmet werden kann. Bei einem Asthmatiker ist der FEV1-Wert vermindert.
- PEF-Wert (Abkürzung von peak exspiratory flow, exspiratorischer Spitzenfluss): Dieser Wert kann mit einem kleinen handlichen Gerät – dem Peak-Flow-Meter – gemessen werden. Das Gerät misst die höchste Luftströmung beim schlagartigen und heftigen Ausatmen. Der gemessene Wert gibt die ausgeatmete Luftmenge in Litern an. Da die Atemwegsweite den maximal zu erreichenden Fluss beim Ausatmen bestimmt, lässt der ermittelte PEF-Wert auf das Ausmaß der Atemwegsverengung schließen. Der PEF-Wert ist im Erkrankungsfall vermindert. Bei einem Wert von unter 50 Prozent des Normwertes ist von einem schweren Asthmaanfall auszugehen.
- Blutgasanalyse im Anfall: Die Bestimmung des Sauerstoffgehaltes (pO2) und des Kohlendioxidgehaltes (pCO2) im arteriellen Blut dienen dazu, um zu überprüfen, ob der Gasaustausch in der Lunge noch funktioniert.
- Kohlendioxid diffundiert in den Alveolen (= Lungenbläschen) besser als der Sauerstoff. Daher kommt es bei einer Gasaustauschstörung zuerst zu einer Störung des Sauerstoffaustausches. Ist der Sauerstoffaustausch stärker beeinträchtigt, so ist auch die Kohlendioxidabgabe in der Lunge in Mitleidenschaft gezogen. Dies bewirkt Müdigkeit und Schläfrigkeit bis hin zur Kohlendioxid-Narkose.
- Je nach den ermittelten Werten lassen sich verschiedene Zustände unterscheiden: Von einer respiratorischen Partialinsuffizienz spricht man, wenn die Sauerstoffkonzentration im Blut erniedrigt (Hypoxämie) und die Konzentration von Kohlendioxid nicht erhöht ist. Der Gasaustausch funktioniert nicht mehr optimal, die Störung ist noch am Anfang. Charakteristisch für die respiratorische Globalinsuffizienz ist ein erniedrigter Sauerstoffgehalt im Blut und ein erhöhter Kohlendioxidgehalt.
Die Werte in der Übersicht:
- Atemwegwiderstand (Resistance; Symbol Raw): Gemessen wird der Widerstand in den Bronchien, den der Luftstrom bei der Atmung überwinden muss. Dieser Wert wird im Rahmen der sogenannten Ganzkörperplethysmographie durchgeführt. Da bei Asthma die Bronchien verengt sind, ist der Atemwegwiderstand erhöht.
- Broncholysetest: Mit diesem Test kann man nachweisen, dass die Atemwegsverengung reversibel ist (-> typisches Merkmal von Asthma). Dazu bekommt der Patient ein Medikament zum Inhalieren (bsp. Beta2-Agonist), das sehr schnell der Bronchienverengung entgegenwirkt. Die danach gemessene Sekundenkapazität (FEV1) steigt bei Asthma um mindestens 20 Prozent an.
- Vitalkapazität (VC, VK) und Residualvolumen (RV): Die Vitalkapazität der Lunge zeigt die Gesamtmenge der Luft an, die aus der Lunge ausgeatmet werden kann. Das Residualvolumen gibt die Luftmenge an, die beim völligen Ausatmen in der Lunge zurückbleibt. Bei einem Asthmatiker ist die Vitalkapazität vermindert, wobei das Residualvolumen erhöht ist. Die Luft wird zurückgehalten („air trapping“), der Betroffene hat Probleme bei der Ausatmung.
Wie erfolgt die Schweregradeinteilung des Asthmaanfalls?
Anhand der Untersuchungsergebnisse kann eine Schweregradeinteilung erfolgen:
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mild
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mäßig
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schwer
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drohender Atemstillstand
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Krankheitszeichen
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Luftnot
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beim Gehen
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beim Gehen
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in Ruhe
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in Ruhe
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Körperhaltung
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Liegen möglich
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bevorzugt Sitzen
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sitzt aufrecht
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sitzt aufrecht oder liegt erschöpfungs-bedingt |
spricht in
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Sätzen
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kurzen Sätzen
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Worten
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evtl. Stöhnen
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Bewusstseinslage
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ruhelos
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ruhelos
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ruhelos
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benommen oder verwirrt
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Körperliche Untersuchung
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Atemfrequenz
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erhöht
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erhöht
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oft > 30/Min
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evtl. verlangsamt
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Einsatz der Atem-hilfsmuskulatur; Einziehungen |
nein
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häufig
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meist
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paradoxe Brust-bewegung (Schaukelatmung = beim Einatmen Vorwölben des Bauches und Einsinken des Brustkorbes) |
Geräusche (Giemen)
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oft nur am Ende der Ausatmung |
laut während der gesamten Ausatmung |
laut, zum Teil während der Ein- und Ausatmung |
fehlend
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Puls
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< 100
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100 - 120
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> 120
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verlangsamt
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Pulsus |
fehlt
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evtl. vorhanden (10 – 25 mmHg) |
oft vorhanden (>25 mmHg) |
bei Ermüdung der Atemhilfs- |
Apparative Werte
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PEF (%)
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80%
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50 – 80%
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< 50%
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Messung nicht möglich
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Sauerstoff-Sättigung (Wert ist oft nicht direkt proportional zu Stärke des Anfalls) |
> 95%
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91-95%
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< 91%
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< 91 Prozent
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Kohlendioxid-konzentration (pCO2) |
< 42 mmHg
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< 42 mmHg
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≥ 42 mmHg
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noch stärkere Anreicherung des Kohlendioxids |
med. Redaktion Dr. med. Werner Kellner
Aktualisierung 26.11.2009